Wenn der Vorhang fällt

Marita Posselt verlässt das Theater

Annaberg-Buchholz. Sie war die reizende Saffi im "Zigeunerbaron", die Josepha im "Weißen Rößl", die Micaela in "Carmen", die Gilda in "Rigoletto", die "Margarethe" und der pfiffige Kater im Erfolgsstück "Der gestiefelte Kater" auf der Naturbühne Greifensteine. Wollte man alle Operetten-, Musical- und Opernrollen aufzählen, die Marita Posselt in ihren 14Jahren am Annaberger Eduard-von-Winterstein-Theater gesungen hat, ließe sich ein ganzer Teil des Beitrags allein damit füllen.

Das Theaterpublikum liebt die zierliche, mädchenhaft wirkende Sängerin, die nicht nur mit großer Stimme überzeugt, sondern bei der Gestaltung ihrer Partien auch viel Gefühl verströmt und die Figuren so leben lässt. Diese Sympathie hat Marita Posselt, die für ihre Rollen täglich übt und dabei selbstkritisch bis "zur Selbstzerstörung" sein kann, immer gespürt. Beim Applaus nach der Vorstellung, an Briefen und Blumen oder beim Kompliment für eine Rolle, das sie gleich mal bei ihrem Bäcker um die Ecke bekam. Zweimal wählten die "Freie Presse"-Leser die Brünette mit dem hübschen Lächeln zum Publikumsliebling bei den Sängerinnen - eine Anerkennung, die sie besonders freute.

25 Jahre steht die Mutter eines Sohnes in festem Engagement auf der Bühne. Schon als Fünfjährige sang sie im Rundfunkkinderchor Leipzig, studierte später an der Hochschule für Musik der Messestadt im Fach Gesang und heiratete Ulrich Vogel, der heute als Professor an der Hochschule für Musik in Weimar wirkt. Sie sang am Staatstheater Schwerin und zehn Jahre an der Oper Leipzig. Gastspiele führten die gefragte Künstlerin nach Berlin, Kassel, Hamburg, Dessau und Cottbus. Sie trat bei den Händel-Festspielen in Halle auf, gastierte bei Konzertreisen in Spanien, Portugal, Israel und wirkte bei CD-Operneinspielungen des renommierten Klassik-Labels Decca mit.

"Viel Arbeit, viel Erfolg und ein großer künstlerischer Reichtum" sagt die Sopranistin, die es nie bereut hat, im September 1996 ans Annaberger Theater gekommen zu sein. "Ich habe hier Partien gesungen, die ich in Leipzig nie bekommen hätte und an denen ich gewachsen bin", erzählt Marita Posselt, die in all den Jahren mehrmals pro Woche zwischen Annaberg und dem Wohnort Leipzig hin- und herpendelte, um ihre "Rollen" als Sängerin, Ehefrau und Mutter unter einen Hut zu kriegen.

Doch nun ist die Künstlerin 50 und ihr Vertrag kurz vor dem 15.Jahr, das für sie "Bestandsschutz" am Annaberger Haus bedeutet hätte, nicht verlängert worden. "Als mir Intendant Ingolf Huhn im Juli 2010 sagte, dass es keine Rollen mehr für mich gibt, weil ich angeblich nicht mehr jugendlich genug sei, war das eine bittere Stunde für mich", erinnert sich Marita Posselt. Schon eine ganze Zeit vorher habe sie gespürt, dass die musikalische Leitung des Hauses sie schneidet und sehr darunter gelitten. Generalmusikdirektor Naoshi Takahashi will das nicht getan oder bemerkt haben: "Ich habe mich immer bemüht, alle Solisten gleich zu behandeln, und es tut mir leid, dass Frau Posselt so empfunden hat. Für mich hatte und hat immer oberste Priorität, die passende Sängerin für eine Rolle zu finden."

Auch der Intendant spricht von Zwängen: "Frau Posselt ist eine verdienstvolle Sängerin, die viel für das Haus getan hat. Doch ich muss schauen, was für das Theater perspektivisch notwendig ist. Und da geht es nicht ohne Wechsel. Die Auftrittsmöglichkeiten für sie wären außerordentlich gering gewesen." Huhn sagt, dass er der Sopranistin noch die wichtige Rolle der Donna Elvira in Mozarts "Don Giovanni" angeboten habe, die sie mit der Begründung ablehnte, "unter diesem Generalmusikdirektor nicht mehr arbeiten zu können".

Marita Posselt hat lange gebraucht, um die Entscheidung der Theaterleitung zu verarbeiten, ging wie sie sagt, in den vergangenen Monaten am Theater durch ein Tal von Tränen und hat schließlich einen Prozess angestrengt. Der Prozess vor dem Schiedsgericht endete mit einem Vergleich: Unter anderem wird sie eine höhere Abfindung erhalten. "Doch Geld ist für mich nicht das Wichtigste. Ich weiß, dass ich als Sängerin nicht das ewige Leben am Annaberger Haus habe", sagt sie. "Aber mehr Anerkennung für meine Lebensleistung hätte ich mir schon gewünscht." So habe man ihr beispielsweise unbefriedigende Auftritte zugemutet und ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum im Oktober 2010 völlig ignoriert. Auch das Abschlusskonzert, das sie sich unter Leitung vom 1. Kapellmeister Dieter Klug gewünscht hätte, werde es nicht geben. Ingolf Huhn bedauert das: "Doch irgendwann gab es keinen vernünftigen Gesprächsfaden mehr zwischen Frau Posselt und mir, und nach dem Prozess war es für die Organisation eines solchen Konzertes zu spät."

Marita Posselt wird zur Greifenstein-Saison 2011 vertragsgemäß noch die Pamina in der "Zauberflöte" singen und den "Gestiefelten Kater" zu Ende spielen.

Dann verlässt sie Annaberg-Buchholz, die Heimatstadt ihres Mannes, in der sie in der St.-Annen-Kirche geheiratet hat und in der ihr Kind getauft wurde. Sie geht zurück nach Leipzig, wird weiter wie schon seit längerer Zeit im Fach Gesang an der Leipziger Hochschule unterrichten. "Und ich werde mein Publikum und auch viele Kollegen am Theater im Herzen behalten so wie diese ganze liebenswerte Stadt", verspricht sie.

erschienen am 25.04.2011 ( Von Sonja Lippert )
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